Story einer Sanierung
Ein Rennstall kam in finanzielle Not. Der freundliche Berater von der Bank sah sich außerstande ohne positive Prognose den Betrieb weiter zu unterstützen. Ein Unternehmensberater muss her. Es wurde auch sofort einer empfohlen.
Der stürzte sich auf die Zahlen, ohne mit den Angestellten zu sprechen.
Das Ergebnis war erschütternd: Bei einem Umsatz von 100.000.- wurde ein Verlust von 30.000.- erwirtschaftet. Was tun?
Die nähere Betrachtung der Zahlen ergab ein schönes Sparpotenzial. Der größte Posten auf der Kostenseite waren das Kraftfutter, mit 30.000.-, der Transport mit 15.000.- und die Trainer mit 25.000.-.
Das Ergebnis, die Empfehlung sah folgendermaßen aus: Alle oben genannten Kosten werden halbiert. Das ergibt einen Überschuß von rechnerisch 5.000.-. Eine Umsatzrendite von 5%, wenn sonst alle Zahlen gleich bleiben, wie angenommen. Eine schöne Zahl.
Die Bank gab neue Mittel, das Unternehmen war nach einem Jahr insolvent. Warum?
Tauschen Sie in Ihrem Unternehmen das Kraftfutter gegen Ware, die Transportkosten gegen Mitarbeiter und die Trainer gegen Führungskräfte. Was passiert dann?
Um die Rendite noch zu steigern könnten wir ganz allgemein noch die Sozialleistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld streichen und die Löhne pauschal kürzen. Das ergibt Motivation pur!
Dieser Berater hat sich nicht die Mühe gemacht, den tatsächlichen Ursachen auf den Grund zu gehen. Vielleicht weil er keine Ahnung von Pferden hat, das wäre eine Begründung, hilft aber nicht.
Er sollte besser das vorhandene Wissen im Unternehmen nutzen, statt sich nur auf die Zahlen zu stürzen. Da hätte er erfahren, dass die Preisgelder wesentlich geringer ausfielen als vorher, weil aus Kostengründen das hochwertige Kraftfutter gegen ein günstigeres getauscht wurde. Die Pferde aus diesem Grund in der Leistung nachließen, auch weil das Trainingsprogramm gekürzt werden mußte, um die Pferde nicht zu überlasten. Im Ergebnis wurden die wichtigsten Produktionsfaktoren langsamer, die Preisgelder weniger, das Ergebnis sank.
Auch aus Kostengründen wurde der eigene Fuhrpark abgeschafft. Eine Firma wurde per Vertrag mit dem Transport beauftragt. Das Sparpotential lag bei 10.000.-. Allerdings war die Spedition nicht in der Lage, die Transporte pünktlich und sachgerecht durchzuführen. Entweder sie kamen zu spät, gar nicht oder waren mit den falschen Fahrzeugen angereist. Dadurch ergab sich ein weiterer Verlust, weil die Veranstaltungen nicht besucht werden konnten, mit denen eigentlich der Umsatz erzielt wird.
Eine weitere Sparmaßnahme war die Kürzung der Gehälter der angestellten Trainer, Gewinnmaximierung war das Thema. Gute Trainer sind gesucht und waren sofort weg. Die, die keiner haben wollte, warum liegt auf der Hand, blieben im Unternehmen und übernahmen nun das Training. Da auch die Führung in diesem Bereich das Haus verließ, brach die Koordination des Trainings zusammen. Ein sinnvolles Training war nicht mehr möglich. Der Chef wollte sich um diesen Part persönlich kümmern, die praktischen Voraussetzungen erfüllte er, allerdings blieb der Rest der Unternehmung auf der Strecke. Rechnungen wurden nicht mehr geschrieben, das Mahnwesen, erst mühsam aufgebaut, brach weg und neue Aktivitäten, die noch in der Pipeline waren, wurden nicht installiert. Mit ein Grund war, dass die langjährige Buchhalterin mit der Lohnkürzung nicht einverstanden war und das Unternehmen verlassen hatte. Kein Problem, dass macht der Chef nebenbei mit.
Auch mit dem persönlichen Training durch den Chef wurden die Ergebnisse nicht besser. Insgesamt ging alles, was den Rennstall einmal so erfolgreich machte, den Bach hinunter.
Wie die zu der Idee mit den Einsparungen kamen? Es war schon einmal ein Berater da, der anhand der Zahlen die Potenziale wunderbar darstellte. Es machte sich jedoch keiner die Mühe, die Auswirkungen in der Praxis zu prüfen.
Schade um ein einst erfolgreiches Unternehmen.
Es handelt sich hier nur um eine Geschichte, in der Realität passiert so etwas nicht! Oder?
Hans Kirschenhofer
Grünthal, 29. Juni 2009